Wir unterstützen die Stellungnahme des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. (BumF) zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, 25.November 2023: Für das Recht auf Sicherheit und Selbstbestimmung – den effektiven Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt für geflüchtete Mädchen und FLINTA* sicherstellen!

Der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“, am 25. November, und die anschließenden Aktionstage (25. November bis 10.Dezember) widmen sich dem Kampf gegen die alltägliche
patriarchale Gewalt, der Mädchen und FLINTA*1 weltweit ausgesetzt sind. Dies ist umso dringlicher angesichts der aktuellen Kriege und Konflikte, die das Risiko massiv erhöhen,  geschlechtsspezifische Gewalt zu erfahren und viele Mädchen und FLINTA* zur Flucht zwingen. Doch auch während und nach der Flucht setzen sich Gewalterfahrungen häufig fort. Mit der zunehmenden, rigiden Abschottung der EU werden die Fluchtrouten immer gefährlicher, auch hinsichtlich des Risikos Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden. Statt in Deutschland Schutz zu finden, nehmen auch hier angesichts eines massiven Rechtsrucks, des virulenten Rassismus und schwerwiegender asyl- und aufenthaltsrechtlicher Verschärfungen  Gewalterfahrungen zu.
Der Kampf gegen diese Gewalt wird weltweit und jeden Tag geführt. Jedes Jahr nutzen feministische Allianzen die Aktionstage, um ihren Kampf in den Fokus der öffentlichen
Aufmerksamkeit zu rücken. Anlässlich diesen Tages fordern wir die vollständige und effektive Umsetzung des „Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ (Istanbul-Konvention)! Dieses trat 2018 in Deutschland in Kraft, allerdings mit relevanten Vorbehalten, die geflüchtete Frauen betrafen. Erst seit Februar 2023 gilt die Konvention auch in Deutschland uneingeschränkt – endlich! Doch bestehen nach wie vor gravierende Lücken in der Umsetzung.
Unter Bezugnahme auf die Istanbul Konvention fordern wir außerdem:

  • Geschlechtsspezifische Gewalt muss als gesamtgesellschaftliches, strukturelles Problem problematisiert und bekämpft werden. Dabei gilt es, besondere Gefährdungen aufgrund
    von Mehrfachdiskriminierungen zu berücksichtigen!
  • Wirksame strafrechtliche Normen und Verfahren, um Gewalttaten aufzuklären und zu sanktionieren, müssen garantiert sein!
  • Der Zugang zu Maßnahmen der Gewaltprävention, des Schutzes, zu Beratung und Recht muss sichergestellt werden. Gerade für geflüchtete Personen gibt es hierbei jedoch
    massive Hürden. Es braucht daher flächendeckend eine finanzielle Förderung von diskriminierungskritischen, mehrsprachigen und aufsuchenden Angeboten. Zudem
    müssen Frauenhäuser, selbstorganisierte Safe-Spaces und weitere Unterstützungssysteme für geflüchtete Mädchen und Frauen, die von Gewalt betroffen waren oder sind verstärkt finanziell gefördert und personell und regional ausgebaut werden.
  • Es müssen verstärkt spezifische Angebote für geflüchtete Minderjährige geschaffen werden! Auch beim Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt gilt: Geflüchtete
    minderjährige Personen können nicht einfach mit Erwachsenen gleichgesetzt und „mitgemeint“ werden. Sie haben besondere Bedarfe, die adressiert werden müssen!
  • Betroffene häuslicher Gewalt brauchen aufenthaltsrechtlichen Schutz, um sich aus der Gewaltspirale herauszulösen und eine Strafverfolgung der Täter*innen zu ermöglichen. Hierzu muss das Aufenthaltsgesetz um einen Aufenthaltstitel für Betroffene häuslicher Gewalt erweitert werden. Wir verweisen auf die Empfehlung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, den aufenthaltsrechtlichen Schutz für Betroffene häuslicher Gewalt zu stärken.
  • Geschlechtsspezifische Verfolgung muss in der Praxis endlich konsequent als Asylgrund anerkannt werden und unbedingt zum Schutz und zum sicheren Aufenthalt führen! Auch
    braucht es eine bedarfsgerechte Informationsarbeit für Betroffene dazu, dass sie diese Gründe im Asylverfahren überhaupt geltend machen können. Weiterhin müssen sich die
    Verfahren selbst dringend ändern. Häufig wird von den Mädchen und Frauen verlangt Gewalterfahrungen detailreich zu beschreiben, während es gleichzeitig immer wieder zu
    rassistischem, anderweitig diskriminierendem und verbal gewaltvollem Verhalten seitens der Anhörer*innen kommt.
  • Sammelunterkünfte abschaffen – dezentrale Unterbringung ermöglichen! Viele nach Deutschland geflüchtete Mädchen und junge Frauen leben in Sammelunterkünften. Der
    Mangel an zuverlässigen Gewaltschutzkonzepten bedroht sie im besonderen Maße. Auch die Unvereinbarkeit mit den Standards der UN- Kinderrechtskonvention in diesem
    Kontext ist unzweifelhaft. Gemeinschaftsunterkünfte sind kein Ort für geflüchtete Mädchen und junge Frauen (und für niemanden sonst).
  • Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung muss auch für geflüchtete Menschen, besonders für Mädchen und FLINTA*-Personen, eingehalten werden! Eingebettet in
    einen sich stetig verschärfenden, menschenverachtenden Diskurs um mehr Abschiebungen hat das Bundesinnenministerium im Oktober einen Gesetzesentwurf zur „Verbesserung der Rückführung“ vorgelegt. Neben vielen anderen rechtlich fragwürdigen Ansätzen wird darin die Befugnis für Polizei und Behörden, eine Wohnung zu betreten um Personen zur Abschiebung abzuholen, erweitert. Künftig sollen diese ohne eine richterliche Genehmigung in Wohnungen und in jegliche sonstigen Räumlichkeiten Dritter
    eindringen können, wenn sie annehmen, dass sich die gesuchte Person dort befindet. Das kritisieren wir als klaren Eingriff gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der
    Wohnung. Mädchen und FLINTA*, die Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind,
    brauchen besonderen Schutz. Das beinhaltet auch einen sicheren Wohnraum!