„Die Tschetschenen sind unsere Bürger, unser Volk. Wir lassen unsere Menschen in der Not nicht im Stich“

Journalistin Jelena Milaschina und Rechtsanwalt Alexander Nemow wurden in Tschetschenien brutal zusammengeschlagen

Am Morgen des 4. Juli flogen Elena Milashina und Rechtsanwalt Alexander Nemov nach Grosny, um der Verkündung des Urteils gegen Zarema Musayeva, die Frau des ehemaligen Bundesrichters Saidi Yangulbayev, beizuwohnen. Auf dem Weg vom Flughafen wurden sie von mehr als zehn unbekannten maskierten Männern angegriffen.

In der Nacht zum 5. Juli wurden der Menschenrechtsverteidiger und die Journalistin nach Moskau geflogen. Nemov wurde niedergestochen, er wies zahlreiche Prellungen und Hämatome auf. Bei Milashina wurden eine geschlossene Kopfverletzung, bis zu 14 Knochenbrüche an den Händen und zahlreiche Prellungen der Weichteile diagnostiziert.

Elena Milashina (geb. 1978) begann noch während ihres Studiums an der Staatlichen Universität Moskau als Korrespondentin für die Novaya Gazeta zu arbeiten. Eine ihrer Mentorinnen war Anna Politkowskaja, die über die Ereignisse in Tschetschenien berichtete und am 7. Oktober 2006 im Eingang ihres Hauses ermordet wurde. Elena Milaschina sagte, das Thema Tschetschenien sei für die Nowaja Gaseta von grundlegender Bedeutung. Und nach dem Tod von Politkowskaja wäre ein Verzicht darauf gleichbedeutend mit Verrat. „Die Tschetschenen sind unsere Bürger, unser Volk. Wir lassen unsere Menschen in der Not nicht im Stich“, sagte Milashina.

Im Winter 2022 veröffentlichte Milashina einen Artikel über die Familie des ehemaligen tschetschenischen Richters Saidi Jangulbajew, der einen langjährigen Konflikt mit Ramsan Kadyrow hatte, weil die Söhne des Richters ihn kritisiert hatten. Die Kinder und der Ehemann von Musajewa mussten Russland verlassen.  Dann hielten tschetschenische Sicherheitskräfte seine Frau Zarema Musajewa in Nischni Nowgorod fest und brachten sie gegen ihren Willen nach Tschetschenien. Dort wurde gegen sie ein Strafverfahren wegen Betrugs und Gewaltanwendung gegen einen Polizeibeamten eingeleitet. Als Reaktion auf den Artikel bezeichnete Kadyrow Elena Milaschina als „Terroristin“ und „Komplizin von Terroristen“, die mit dem Thema Tschetschenien Geld verdiene. Außerdem forderte er die Strafverfolgungsbehörden auf, die Journalistin zu verhaften.

Jelena Milashina hat immer wieder verborgene Wahrheiten über schwere Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt: Sie recherchierte und schrieb über Zwangsverschleppungen, Morde, Folter in Tschetschenien sowie über Tötungen von LGBTQ+ Menschen. Viele Geflüchtete, über deren Menschenrechtsverletzungen in Russland sie berichtete, waren oder sind Klient:innen der Psychotherapie und psychosozialen Betreuung bei XENION e.V.. Zusammen mit ihnen möchten wir unsere Solidarität mit Jelena bekunden, die sich für ihre Rechte und die vieler anderer Menschen eingestzt hat.