Das Recht auf gleiche Bildungschancen ist nicht verhandelbar –
Für das Recht auf eine Schule für alle in Berlin!

Gemeinsame Stellungnahme der gewählten Mitglieder des Landesbeirats, des Migrationsrats Berlin e.V. und des Flüchtlingsrats Berlin zur Sonderbeschulung von geflüchteten Kindern in LAF-Unterkünften in Berlin

Die gewählten Mitglieder des Landesbeirats für Partizipation, der Migrationsrat Berlin e.V. und der Flüchtlingsrat Berlin schließen sich dem Beschluss des Berliner Landesbeirats für Partizipation zur Bildungsgerechtigkeit für geflüchtete Kinder und Jugendliche vom 16. April 2024 an.
In seinem Beschluss ruft der Landesbeirat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBJF) sowie die Mitglieder des Senats dringend dazu auf, die unter Senatorin Günther-Wünsch Anfang 2024 eingeführte Sonderbeschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen und LAF-Unterkünften sowie der Unterkunft in Tegel zu beenden und stattdessen schnellstmöglich partizipative Maßnahmen zu entwickeln, damit geflüchtete Kinder und Jugendliche Zugang zu gleichen Bildungschancen erhalten und in Regelschulen beschult werden können, wie es ihnen durch das Berliner Schulgesetz und die UN- Kinderrechtskonvention sowie das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) zusteht.

Berlin ist eine Stadt der Vielfalt, in der Partizipation großgeschrieben wird. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und der gesamte Senat müssen sicherstellen, dass vor allem institutionelle Chancenungleichheiten mit der Sonderbeschulung, die ausschließlich geflüchtete Kinder betreffen, abgebaut werden. Die Sonderbeschulung ist eine deutliche Absage an das Versprechen der Chancengleichheit. Diese politische Stoßrichtung der strukturellen Desintegration entspricht nicht dem Anspruch des LADG, das 2020 in Kraft getreten ist. Stattdessen verstärkt sie institutionelle Diskriminierung für ohnehin vulnerable und traumatisierte Gruppen wie geflüchtete Kinder, Jugendliche und ihre Familien.

«Es ist erschreckend, dass statt eines verbesserten Zugangs zum Schulsystem Sonderbeschulungen in Massenunterkünften wie in Tegel eingeführt werden. Das Ziel muss sein, Kinder aus den schwierigen Unterkünften ohne kindergerechte Strukturen herauszuholen und sie nicht in Sonderschulen den ganzen Tag einzuschließen», sagt Alina Lange, gewähltes Mitglied des Landesbeirats für Partizipation.

«Das ist diskriminierend und unzumutbar. Geflüchtete Kinder haben – wie alle jungen Menschen – das Recht auf zukunftsfähige und diskriminierungsfreie schulische Bildung und damit auch das Recht auf Teilhabe am regulären Schulalltag. Der Senat riskiert durch die diskriminierende Ungleichbehandlung
den Bildungserfolg der Kinder und verzögert und verschlechtert mit jedem Tag ihre Chancen auf gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben», fügt Ed Greve vom Migrationsrat Berlin e.V. hinzu.

Deshalb lehnen die gewählten Mitglieder des Landesbeirats für Partizipation, die den Berliner Senat zu Fragen der Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte beraten, der Migrationsrat Berlin e.V. als Dachverband von annähernd 90 Migrant:innen-Selbstorganisationen und der Flüchtlingsrat
Berlin als Organisation, die sich für die Menschenrechte und den Schutz von Geflüchteten in Berlin und deutschlandweit einsetzen, die aktuellen bildungspolitischen Maßnahmen und Pläne der Bildungsverwaltung kategorisch ab, Sonderbeschulungen in menschenunwürdigen Erstaufnahmeeinrichtungen
wie in Tegel oder in LAF-Unterkünften einzuführen.

«Die Problematik der Mangelbeschulung in Berlin ist ein strukturelles und altes Problem, das nicht durch rechtswidrige Segregation gelöst werden kann. Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte sind Orte, die als Übergangswohnheime konzipiert wurden und auch baulich nur so genehmigt werden. Geflüchtete sollten dort keinesfalls dauerhaft wohnen bleiben, geschweige denn beschult werden. Die Schulplatznot in Berlin bedarf nachhaltiger Lösungen, mit denen der Rechtsanspruch von allen Kindern auf gleiche Bildungschancen in Regelschulen gewährleistet wird», sagt Emily Barnickel vom Berliner Flüchtlingsrat.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bildungsverwaltung und den Berliner Senat dazu auf, flächendeckende Maßnahmen lokal und verwaltungsübergreifend in Bezirken über beratende «Runde Tische» mit den verantwortlichen Akteur:innen zu entwickeln, die allen Kindern unabhängig
von Herkunft und Aufenthaltsstatus, Zugang zur Beschulung in Regelschulen bieten. Das Recht auf Bildung für alle Kinder ist nicht vor dem Hintergrund von Kompetenzgerangel und Koalititonsstreit verhandelbar.

Es sollen dringend neue qualifizierte Lehrkräfte gewonnen werden, um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken. Dafür bedarf es sowohl Qualifikationsangeboten als auch beschleunigter und vereinfachter Anerkennungen von Bildungsabschlüssen von Lehrkräften aus dem Ausland, und zwar unabhängig vom Herkunftsland. Fakt ist, dass auch ausgebildete Lehrkräfte nach Berlin migrieren und aufgrund der fehlenden gezielten Weiterqualifizierung nicht als Lehrer:innen eingesetzt werden können.

Bezirkliche und bezirksübergreifende Koordinationsebenen sollen zwischen Verwaltungen und Schulleitungen Vorschläge einbringen, die sich beispielsweise für Schichtbeschulungen und/oder Wochenendbeschulungen ausgesprochen haben. Eine langfristig innovative Lösung kann Schichtbeschulung sein, die pädagogisch von Fachexpert:innen weiterentwickelt und den Bedürfnissen und Interessen von Kindern und Familien angepasst werden.

Für das Recht auf gleiche Bildungschancen, das zu keiner Zeit verhandelbar sein darf, bedarf es innovativer und partizipativer Lösungen mit Geflüchteten- und anderen Migrant:innen-Selbstorganisationen!

XENION unterstützt die gemeinsame Stellungnahme mit Nachdruck!

Hier gibt es die vollständige Stellungnahme inklusive der unterzeichnenden Organisationen .als pdf-Dokument.